Wäre das nicht was für dich? Auf dem Campingplatz wohnen?, hatte J.gefragt.

Inspiration. Ich verlagere das Schlafzimmer auf den Balkon.

Dämmerung:

Eine Hornisse  fliegt laut summend

in den Zwischenboden. Immer wieder.

Das Summen hat etwas aggressives. Frösche quaken leise. Blau und Kohlmeisen, Rotkehlchen und Singdrossel geben ein Konzert.

Merlin sagt, auch ein Eisvogel sei dabei.

Graugänse ziehen tief.

Nacht: Frösche quaken noch immer. Früher:  ich:  im Alter meiner Kinder, habe oft draußen geschlafen Die letzte Nacht in der DDR verbrachte ich auf der Veranda eines Mitarbeiterhauses im Katharinenhof. Eine kirchliche Einrichtung für Menschen mit Behinderung.. Clementine modellierte Köpfe aus Ton. Wie für Handspielpupoen. Ich sah sie durch das erleuchtete Fenster. Sie war Mitarbeiterin, meine WG Mitbewohnerin. Mein Zimmer war leer. Das wusste sie nicht, auch nicht, dass das meine letzte Nachr hier war. Ich lese Kairos.

Das Buch bringt Erinnerungen zurúck.Ein Sturm bricht  los. Ein Sonnensturm. Feuerwerk, Jubeln, Hupen, rufen. Holstein Kiel ist in die erste Liga aufgestiegen, lese ich auf dem Handy.

Morgens: Erwache vom Kuckucksruf. Eine Biene fliegt immer wieder in den Hohlraum meiner Leiter.

Was ich nicht erzählte: Im Schlafzimmer öffne ich nur kurz das Fenster um den Feinstaub nicht überall zu haben.

Das Försterhaus liegt nicht im Wald, lag es wohl nie, aber ein Förster hat darin gelebt.

Mein Schlafzimmer habe ich auf den Balkon verlegt.

Zumindest hier weder Häuser noch Strasse.

Kairos-2-Budapest

Ja sagt sie, aber was du nicht weisst: vielleicht kann man auf den Dachterrassen nicht mehr schlafen, weil der Mammon sie sich geholt hat.

Was ich dir erzähle: man wird auf ihnen  tanzen. Und vielleicht reicht das Geld dann nur für ein Zimmer im Hostel, Eintritt in Clubs, ein paar Drinks, Spaghetti mit Pesto.

Der Espresso wird nur in 89 für fast umsonst  zu haben sein. Die Fischsuppe auch. Abgesehen davon, dass Fischsuppe out ist.

Und der Schmuck, sagt sie,  ist unerschwinglich. Immer.

Kapitalismus you know.

Gedanken zu Kairos Jenny Erpenbeck

Budapest 86 – 89- 2024

Samstag mit Kairos

Laufe mit ihr  die Treppen eines Hochhauses in Budapest empor. Oben ist eine Dachterrasse, dort kann man schlafen.

Das Budget des Zwangsumtausches erlaubt nur eines, wenn man länger als ein paar Tage bleiben will. Essen oder schlafen.

Ich erzähle, dass in naher Zukunft hier an der Zugligetkirche ein Auffanglager sein wird. Und dass sie Geld von der Botschaft bekommen wird, um die Zeit des Wartens überbrücken zu können.

Mit dem Geld wird sie endlich Fischsuppe in Tihany essen.

Jetzt reicht das Geld nur für Brot und Knoblauch. Knoblauch gibt es im Land des eisernen Ikarus nicht.

Sie wird Espresso trinken, so viel sie mag, im Gellertbad schwimmen, Schmuck in den kleinen Privatläden kaufen.

Sie wird diese Freiheit bezahlen, das verschweige ich ihr.

Lese Kairos von Jenny Erpenbeck

Thetis

Zeit existiert nicht.

Erinnerung an den Schmerz der Thetis, der ihn umgab.

Etwas was geboren war, nach der Begegnung mit dem Nichts.

Etwas was sich nicht trösten liess. Nie wieder.

Stille, weil kein Schmerz grösser sein konnte als dieser.

Nur das Unbehauste liess sich behausen.

Einen Ort schaffen, an dem der Schmerz erträglich wurde.

Durchgesessen

“ Wir stellen uns den Preis, mal anders zu handeln, meist höher vor als unser Feststecken im längst schon durchgesessenen Leidenssessel.“ Kai Hoffmann

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Als ich auf den Balkon trat, wehte mir der Wind ins Gesicht.

Erzählte Geschichten aus aller Herren Länder.

Ich lächelte dem Wind zum Gruss, schloss die Balkontür, nahm den  Sessel. Inkarnatfarbene verblichene Patina.

Vor dem Haus stellte ich ihn auf.  „Zu verschenken“: heftete ich daran.

Vor der Zeit

Im Frühling Nachtschichten arbeiten.

Ausschliesslich.

Lichtflüchter. Raum aus Stille.

Ein Novemberkind wäre ich  geworden.

Wir vertrugen uns  nicht.  Das wäre nicht zu retten, sagte der Arzt. Und rettete doch.

Vor der Zeit ans Licht.

September.

Unbehaust  das Leben im Glaskasten.

Zu hell, zu laut, zu gläsern.

Vielleicht ist es deshalb so.

Ein Kokon aus Nacht im Frühling.

Lieblingsmonat November

Samstag mit: Was würdest du ändern?

Morgens bei einem Kaffee im Bett mir die verbleibende  Zeit in Tagen ausgerechnet. Angenommenes Alter 70, verbleiben fünfzehn Jahre oder in Tagen etwa 5400 Tage.

Lese Jonas Grethlein: “ Mein Jahr mit Achill“. Grethlein setzt sich nach einer Krebsdiagnose mit der Ilias unter dem Aspekt des Lebens,  in dem Wissen um den  bevorstehenden Tod, auseinander.

Bei der Mützenfalterin hineingeschaut und diesen Beitrag gefunden:

Was würdest du ändern, wenn du wüsstest, dass du nur noch 25 Jahre zu leben hättest?

https://muetzenfalterin.blogda.ch/2024/03/20/19-maerz/

Anders gewichten, denke ich. So arbeiten, dass genügend Zeit und Kraft bleibt zu leben.

Mehr Zeit für lange Gespräche. Mehr Zeit für Reisen.

Mehr Zeit.

Die Arbeit ist erfüllend, dennoch.